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Biografie von Todgeweihter Semjaza





Die Sage der Todgeweihten

Denn sie haben Angst vor uns.
Blickt man uns in die Augen,
sieht man den Abyssus, sagt man.
Doch eigentlich sind nicht wir es.
Es ist Angst vor eigener Schwäche,
Angst vor der Geissel des Lebens,
vor dem Tod, der uns zeichnete.



Unter den unzähligen Geschichten um ruhelose Verstorbene und schaurige, nächtliche Rituale gibt es eine, die aus fernen Landen in Isidan Einzug gehalten hat. Zungen mit fremdem Akzent wussten sie so gut zu erzählen, dass bald jeder davon wusste, doch so sorgfältig Garn auch gesponnen wird, die Fäden können sich zu Knoten verwickeln. So sehet selbst, was Euch wahr erscheint, und wo das Garn seinen regelmässigen Fluss verlässt…

Man erzählt sich, dass einem in der Stunde des Ablebens, wenn der Geist zwischen Dies- und Jenseits zu wandeln beginnt, kein Licht erscheint, aber auch keine Schwärze die müde Wahrnehmung überkommt. Stattdessen wagt man den Blick in das Reich des Todes – man sieht mit der Seele, nicht mit den Augen, und fühlt sich, als müsse man zu einer Reise aufbrechen. Unweigerlich wird man in diese seltsame Welt gezogen, eine Welt, die sich für jeden anders gestaltet, doch immer einen klaren Weg zeigt. Und in dem Moment, in welchem man dem Drang der Seele nachgeben muss, wird man aus dieser Welt zurückgeschleudert. Blut rauscht in den Ohren. Bebende Hände, umgeben von einem blauen Schimmer, Lebenskraft. Ein Pochen, das anschwillt, bis es den ganzen Körper zu erfüllen scheint. Ein Wunder geschieht! Leben durchströmt den tot geglaubten Körper. Doch das Wunder gebiert diese Sage, und die Sage bringt die Furcht zurück in die Herzen der Diesseitigen. Denn nichts ist mehr wie früher, auch wenn sich nichts geändert zu haben scheint, auch wenn man für das wiedererlangte Leben dankbar scheint. Fernab von physischer Gesundheit, spüren die Menschen, die Freunde, dass etwas in einem Reich, das mit dem Leben in Vergessenheit gerät, zurückgeblieben ist. Es fehlt in den Augen, in ihrem einstmaligen Schimmern. Stellt Euch vor, man weiss, das ist der Preis für den Pakt mit dem Gott des Todes, der Preis für einen Blick in den Abgrund seiner Welt. Es schaudert die Menschen in der Gegenwart des Auferstandenen, und die anfängliche Bewunderung schlägt in Misstrauen, in Abneigung um. Und ein Name wird von diesen flinken Zungen schnell gefunden, die von der Berührung des Todes, dem Mal des Abyssus sprechen.

Der Todgewei
hte.


Aber was, wenn diese lange Zeit nur Jahre umschreibt?
Was, wenn es sich nicht in einem fernen Land,
sondern in Eurem Umfeld zugetragen hat?


Was, wenn ich Euch sage, dass ich der Auferstandene bin?


¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯

XXX


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Auszüge aus den Schriften des Priesters


Ihr vermutet, dass es sich nicht um die wichtigsten Dokumente handeln kann, denn dafür sind sie viel zu leicht in Eure Hände gelangt. Die Seiten scheinen aus einem Buch gerissen worden zu sein, doch welchen Zweck dieses Vorgehen gehabt haben soll, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Dennoch – oder gerade deswegen - beginnt Ihr die vergilbten Pergamente mit Eifer zu lesen…



7. Sandarn 970



Ausser der Datierung und den sieben Geboten eines Euch unbekannten Zirkels ist auf dem Pergament nicht mehr viel zu erkennen. Vielleicht würde es sich lohnen, es einem Alchemisten anzuvertrauen, damit er unsichtbare Worte magischer Tinte erkennen kann, doch auch so lassen diese seltsamen Gebote einen ziemlich deutlichen Schluss zu – auch wenn der Priester sein Siegel nie gesetzt hat…

Erstes Gebot - Verschwiegenheit. Nur Brüder und Schwestern erhalten das Privileg, zu wissen.
Zweites Gebot - Ehrbietung. Achtet das Gleichgewicht, missbraucht die Gunst des Jenseitigen nicht.
Drittes Gebot – Forschungsdrang. Das Fortbestehen des Zirkels ist abhängig von neuem Wissen.
Viertes Gebot – Einheit. Machtkämpfe zwischen Mitgliedern unterliegen strengen Regeln.
Fünftes Gebot – Treue. Tretet nicht aus dem Zirkel aus, oder euer Wissen wendet sich als Strafe gegen euch.
Sechstes Gebot – Riten. Es ist nicht falsch, für des Jenseitigen Gnade zu töten, und eure Schuld sei sein Segen.
Siebtes Gebot – Konsequenz. Betrachtet die Unsterblichen des Lichts und der Dunkelheit als die Feinde des Jenseitigen.
Zögert nicht, fürchtet euer Scheitern nicht. Er wird euch entlohnen.




1. Firnann 974



Ich spiele ihr Spiel, doch es langweilt mich zusehends. Meine beste Gesellschaft ist die Maske der Unwissenheit und Schwäche geworden, die ich in ihrer Gegenwart trage. Es dauert nicht mehr lange und ich werde sie nach und nach fallen lassen, und sie werden erstaunt sein. Sie werden blind sein, geblendet von meinen Versprechen. Tropfen für Tropfen will ich ihnen mein Wissen einflössen, und sie werden nicht einmal bemerken, wie wenig ich ihnen gebe.
Die Bücher, die er mir ausgehändigt hat, zeigen mir einen neuen Weg zu dem, was ich begehre. Rückblickend hätte mir nichts besseres passieren können, als Teil dieses Zirkels zu werden, denn all der Unsinn, den ich in der Zeit gelernt habe, wird durch sein Auftreten nichtig gemacht. Ich muss nicht wissen, wer er ist und warum er meinen Gönner mimt. Es reicht zu wissen, dass ich längst mächtiger bin als jeder Magier des Zirkels, weil ihre Vorsicht vor der tieferen Studie sie lähmt.
Wenn sie mich in den Hohen Kreis gewählt haben, werde ich auf angenehme Weise frei von den Geboten sein, um den Weg zur wahren Lehre zu finden.





Anrakhs wahre Gunst


Da sind sie… da sind sie wieder… dieses Mal werden sie mich umbringen, dieses Mal rettet mich nichts…, Die Schritte kommen näher, immer näher, Roben rascheln, alles sonst still… wann haben sie herausgefunden… meine Fäden kann ich schliesslich nicht selbst ziehen… die Steine unter mir, hinter mir, sind kalt wie ein Grab.

Warum hast du das getan? Du hast mich benutzt… die Bücher und all deine Worte, du wusstest, dass ich nicht widerstehen würde… nicht, wenn es um Wissen geht. Die Fäden gezogen, das hast du getan… und mich in ihr Licht gestellt, auf der Suche nach dem Verräter… und bei dir werde ich anfangen, wenn ich wiederkehre aus dieser, deiner, Hölle…

'Die Strafe für Verrat ist der Tod durch das Ritual. Falls er flüchtet, tötet ihn auf der Stelle und nehmt sein Wissen mit euch.'

Blut… woher kommt all dieses Blut? Ich kann mich nicht mehr rühren… wo ist diese Wunde? Die Schritte kommen noch näher, noch ein Gang, noch einer, da… Etwas leuchtet auf, als wäre es ein Geistesblitz, aber es ist die Klinge… die Vollstrecker… Die Tempelrittermitden-…




Die Klinge reisst weisse Leere in meinen Körper.
Alles ist weiss und leer, das Wissen ungeschrieben.
Und zum zweiten Mal stehe ich vor ihm.




Was passiert, wenn man mit dem Tod verhandelt? Was, wenn man in seiner Gunst steht, weil man nur dienen kann, wenn man lebt, weil einem nur vertraut werden kann, wenn man selber fühlt? Richtig… man tötet diejenigen, die einem selbst im Grab haben sehen wollen, gedankenlos, willenlos, körperlos. Ich erinnere mich nicht mehr an den Preis, der verlangt worden ist, um die Wunden auf meinem Körper, von Hüfte quer zu Schulter, an der Kehle nichtig werden zu lassen… und Blut vermischt sich auf dem kalten Grund, der nicht mein Grab gewesen ist.

Mein Gönner ist tot und ich habe sein Wissen erlangt – Stück für Stück, Seite um Seite. Er hätte wissen müssen, dass Anrakh mir mehr bieten kann, als er es jemals getan hat.



Sein Tod und die Hand meines Gottes haben mich geweiht.



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Niemand